Erheblich erhoehtes Toetungsrisiko
03.01.2021Die Anwendung des Tötungsverbots des §44 BNatSchG sieht laut aktueller Rechtsprechung vor, dass eine signifikante oder besser erhebliche Erhöhung des Tötungsrisikos eines einzelnen Individuums vorliegen muss. In diesem Falle kann eine Genehmigung nur bei gleichzeitiger Erfüllung wirksamer und hinreichender Schutzmassnahmen erteilt werden. Insbesondere bei der Genehmigung von Windkraftanlagen, aber nicht nur dort, besteht Klärungsbedarf, wann diese signifikante Erhöhung eintritt. Aber wie ermittelt man das?
Fledermäuse und Individuen
Bevor man sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Eingriff in die Natur die Tötung von Fledermäusen nach sich zieht und ob dadurch das Tötungsrisiko für das Individuum erhöht ist, muss man verstehen, wie und welche Daten erhoben werden können. Avifaunisten können zumeist die Tiere zählen, und im Falle von Windkraftsensiblen Vogelarten (primär Greifvögel) Brutort, Wanderungsgebiet und Jagdgebiet durch Sichtbeobachtungen oder Telemetrie leicht ermitteln. So lässt sich innerhalb eines Jahres feststellen, wie lange und wie häufig sich ein Vogel im Gefahrenbereich aufhält. Ungeachtet der Frage, ob dies unweigerlich auch zum Tod des Tieres kommt, lässt sich so gut ableiten, ob es eben einen erhöhten Anteil Aktivität eines Individuums im Rotorbereich gibt.
Bei Fledermäusen gestaltet sich dies deutlich schwerer. Mittels Wärmebildkamera lassen sich die Tiere prinzipiell beobachten, jedoch wird dies bei zunehmender Höhe der WEA schwierig. Auch ist der Aufwand recht hoch und Individuen können nicht eindeutig identifiziert werden. Treten die Tiere auf Grund ihrer Mobilität und Plastizität des Jagdverhaltens nicht jede Nacht am Standort auf, müssen sehr lange Zeiträume untersucht werden. Theoretisch könnte man größere Arten auch mit Sendern versehen und dann telemetrieren. In dem Fall wäre dann auch die individuelle Zuweisung möglich. Dazu müssen die Tiere aber gefangen werden, und das in ausreichender Menge. Dies kann bei manchen Arten an Flugstrassen durchgeführt werden, andere Arten müssten am Quartier gefangen werden. Ein großer Aufwand und nicht unkritisch, stellt es eine - gegebenenfalls sogar erhebliche - Störung dar.
So bleibt die akustische Erfassung, etabliert seit Jahren im Rahmen des Gondelmonitorings, eine einfache und gut anwendbare Methode, deren Stärken und Schwächen gut untersucht sind. Individuen können dabei nicht erkannt respektive unterschieden werden. Das wiederum bedeutet, eine Beurteilung zur Populationsgröße im Einfluss einer WEA ist nicht möglich. Aktivität wird auch heute noch wider besseren Wissens häufig in Aufnahmezahlen (Sprachgebrauch auch Kontakte) gemessen und so noch weiter die Interpretation erschwert.
Können einzelne Individuen nicht unterschieden werden und liegt auch anderweitig keine Zahl der Populationsgröße vor, ist die Ermittlung eines individuellen Tötungsrisikos kaum möglich.
Verhalten und Daten: Lokale Population versus Wanderungszeit
Bei der Bewertung des Kollsionsrisikos ist zu unterscheiden zwischen Aktivität lokaler Populationen und Aktivität während der Wanderungszeit. Das Verhalten der Tiere ist in diesen Zeiten jeweils stark unterschiedlich. Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass die meisten der typischen windkraftsensiblen Arten im Frühjahr und Spätsommer bis Herbst breite Wanderbewegungen zwischen Südwesten und Nordosten zeigen. Dies spiegelt sich auch gut in den Daten der Gondelmonitorings in Form von erhöhter Aktivität ab zumeist Ende Juli bis einschliesslich Ende September wieder. Große Abendsegler wandern sogar noch im Dezember. Bei der Wanderung fliegen Tiere einzeln oder in Gruppen durch den Wirkungsbereich der WEA und halten sich in der Regel nur an reichhaltigen Nahrungshabitaten länger auf. Das bedeutet, dass einzelne Individuen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit häufiger an der WEA aufgezeichnet werden.
Tiere einer lokalen Population hingegen werden häufig regelmässig an einem Standort aufgezeichnet. Dies kann je Nacht ein oder zweimal sein, wenn die WEA an einer Flugroute zwischen Quartier und Nahrungshabitat liegt. Dies kann aber auch noch häufiger je Nacht sein, wenn die WEA in einem Jagdgebiet liegt. Dann kann von einer Häufung von Aufnahmen eines Individuums in kurzer Zeit ausgegangen werden.
Ein weiterer Sonderfall besteht durch balzende Tiere. So ist von zB Zwergfledermäusen und Zweifarbfledermäusen Balz an WEA bekannt. Dann hält sich ein Individuum über einen längeren Zeitraum (bis zu mehrere Stunden) im Gondelbereich auf. Das Tier nutzt den besonderen Standort WEA-Gondel als Balzort. Es wird bei Erfolg zahlreiche Weibchen anlocken. Somit liegt eine besonders hohe Gefährdung von Tieren vor.
Auch ohne Balz wirkt sich das Verhaltenauf die erhaltenen Daten gegebenenfalls stark aus. Jagt ein Tier im Gondelbereich, dann werden innerhalb eines Zeitfensters mehr Aufnahmen erhalten, als wenn das Tier dort während der Wanderung nur durchfliegt. Es werden somit nur einzelne oder zahlreiche Aufnahmen innerhalb der Anwesenheit des Tieres erstellt. Die genaue Zahl Aufnahmen ist dabei stark von der Aufnahmetechnik abhängig.
Optimierte Abschaltberechnung und individuelles Risiko
Solche Aktivitätsunterschiede kann man als Gutachter in den eigenen Daten ermitteln, um so zum Beispiel Rückschlüsse auf das Verhalten der Tiere oder aber auch Aktivität durch Wanderung zu ermitteln. Dies wiederum ermöglicht an manchen Standorten eine deutlich bessere Beurteilung des individuellen Tötungsrisikos. Vor allem lassen sich so solche Standorte besser bewerten, die durch ihre Aktivitätsverteilung mit Werkzeugen wie ProBat nur eingeschränkt bearbeitbar sind und zu einer hohen Rechtsunsicherheit führen. Denn unter geeigneten Voraussetzungen lassen sich zum Beispiel sogar relative Individuenzahlen anhand solcher Auswertungen abschätzen. Aber auch das Verhalten kann unter Berücksichtigung zeitlicher Parameter deutlich besser beschrieben werden. Damit lässt sich eine Bewertung der Erheblichkeit für Individuen besser definieren.
Diese bietet wiederum die Möglichkeit für den Standort die Abschaltungen individuell zu optimieren. Im Idealfall können Aktivitätsperioden mit erhöhter oder erniedrigter Erheblichkeit ermittelt werden, wenn die Daten von der ProBat zugrundeliegenden Datenbasis abweichen. Jedoch gibt es - noch - keine allgemeingültige einfache Berechnungsmethode, um genau dies zu ermitteln. Daher hat diese Praxis bisher keinen Einzug in die Genehmigungspraxis erfahren. Gerne können Sie mich jedoch kontaktieren und ihre Daten hierfür prüfen lassen.