Zwergfledermaus und Windkraft in NRW
10.12.2013In NRW wurde im November ein Leitfaden zum Windkrafterlass veröffentlicht1. Über Naturschutzverbände hatte ich bereits im Vorfeld die Möglichkeit mich einzubringen. Leider jedoch ohne besondere Beachtung durch die Regierung bei essentiellen Punkten. Zum Beispiel auch die Freigabe der Zwergfledermaus zum “Abschuss”. Eine Korrespondenz mit dem Umweltministerium direkt nach der Veröffentlichung des Leitfadens blieb leider bisher ohne jegliche Reaktion, so dass ich nun eine ausführliche Ausarbeitung einiger Themen öffentlich mache. Dazu beginne ich mit:
Die Zwergfledermaus in der Windkraftplanung NRWs
Update: UIG Anfrage beantwortet - Populationsgröße der Zwergfledermaus in NRW nicht bekannt (siehe auch unten)
Ich möchte zu Beginn klarstellen, dass ich Windkraft befürworte. An den Standorten, an denen es keine unnötige Beeinträchtigung für Mensch oder Natur gibt. Ich gehe davon aus, dass dies auf wenigstens 5% der Bundesfläche zutrifft. Ich denke auch, dass bereits 1% Fläche ausreichen, um ausreichend Windenergie in Strom zu wandeln. Darüber hinaus wird nur gebaut, damit einige wenige Großkonzerne ihre Milliardengewinne nochmals erhöhen können, auf unsere Kosten und auf Kosten der Natur.
Kurze Artbeschreibung
Die Zwergfledermaus ist eine der Fledermausarten, die in Deutschland und auch in NRW einen guten Erhaltungszustand aufweist. Sie ist opportun und passt sich vermutlich an zahlreiche Situationen gut an, vor allem besser als andere hochspezialisierte Arten. So hat die Zwergfledermaus sich vor allem gut an die anthropogene Siedlungslandschaft angepasst und findet dort Quartiere in und an Häusern. Von dort startet sie ihre Jagdflüge, die nicht nur nahe der Quartiere stattfinden, sondern auch zu Jagdhabitaten in zwei2 bis ca. vier3 Kilometer Entfernung führen können. Größere Wochenstuben benötigen vermutlich auch ein größeres Jagdareal, wobei die veröffentlichen Zahlen aus verschiedenen Studien in England schwanken.
Die Jagdflüge finden meist in lockerer Bindung an Landschafts- und Vegetationsstrukturen statt, aber Tiere können auch im komplett offenen Flugraum vorgefunden werden. Bevorzugt nutzen sie Standorte mit hoher Insektendichte, also zum Beispiel auch gerne feuchte Gebiete. Im Offenen erreichen sie dabei ohne weiteres Flughöhen von 20 oder mehr Metern.
Schlagopfer-Abschätzung
In der “Dürr-Liste”4 werden für NRW 27 Schlagopfer (November 2013) von P. pipistrellus geführt, die Schlagopfersuche findet in NRW aber nur sehr selten statt. In wie weit bei den 27 Opfern auch Zufallsfunde dabei sind und es keine regelmässige Suche gab, geht aus der Liste nicht hervor. Daher sind nach dieser Quelle Daten aus NRW rein als grobe Schätzer zu betrachten. Sollten primär Zufallsfunde eingegangen sein, ist die Zahl vermutlich zu niedrig. Aus dem Grund habe ich im Folgenden auch noch Zahlen aus anderen, zuverlässigeren Quellen für einen Vergleich herangezogen.
Anzahl WEAs in NRW
Die aktuelle Anzahl installierter WEAs in NRW beträgt knapp 2900 Anlagen. Für die Schätzungen gehe ich von 3000 aus, was dem geplanten Baubetrieb gut entsprechen dürfte.
Opfer je WEA
Die Totfunde stammen von Anlagen aus NRW und wurden seit 2004 gesammelt. Aus keinem Jahr gibt es Daten von mehr als zwei Untersuchungen. Da es keinerlei Information gibt, ob die Funde von einzelnen Anlagen oder aus Parks stammen, muss für eine Hochrechnung der toten Tiere je WEA ein Schätzer verwendet werden. Bei den folgenden Abschätzungen der Schlagopfer nehme ich daher einmal an, dass eine aus den Dürr-Daten ermittelte gefundene Opferzahl von 2,54 je WEA gilt (Opfer ermittelt je Jahr und Anlage). Alternativ habe ich an Hand der veröffentlichten Windparks in NRW5 einen Mittelwert von 6 WEA je Park geschätzt und die Zahl gefundener Opfer dementsprechend erniedrigt auf 0,4 je WEA für eine zweite Berechnung.
Schlagopfer-Korrektur
Aus zahlreichen Studien weltweit ist bekannt, dass die Anzahl der gefunden Schlagopfer die tatsächliche Zahl an Opfern unterschätzt. Dies liegt u.a. an der Sucheffizienz, der absuchbaren Fläche und dem Abtrag durch Aasfresser i.w.S. . Daher werden bei Gutachten die Opfer hochgerechnet entsprechend eines individuell ermittelten Korrekturfaktors. Aus öffentlich zugänglichen Quellen6 ergeben sich hierbei Faktoren von 1,6 bis beinahe 10. Daher berechne ich die Modelle mit Korrekturfaktoren von 2, 5 und 10.
Jährliche Opfer der Zwergfledermaus in NRW
Aus den obigen Zahlen lassen sich die Opfer an Zwergfledermäusen für NRW berechnen. Als Beispiel eine Berechnung einer niedrigen Schätzung:
- Anzahl gefundene Opfer je WEA/Jahr wird auf 0,4 gesetzt
- der Korrekturfaktor für Opfer liegt bei 2
- Anzahl WEA auf 3000
Daraus ergeben sich in NRW pro Jahr 2400 tote Zwergfledermäuse. Mit dem selben niedrigen Schätzer, jedoch mit Korrekturfaktoren von 5 bzw. 10, ergeben sich 6000 bzw. 12000 tote Zwergfledermäuse. Also bei 0,4 toten Tieren je WEA bis zu 12000 Opfer gesamt im Jahr. Einfache Arithmetik. Bei 2,54 Tieren je WEA wie oben abgeleitet aus Dürr, ergeben sich dann 14000 bis 76000 tote Tiere. bis zu 76000 tote Zwergfledermäuse in einem Jahr. In NRW. Das ist eine Hausnummer. Nur nochmals zur Grundlage der Zahlen: 2,54 Tiere je Anlage abgeleitet aus Schlagopfersuchen. Diese mit 10 korrigiert für Suchfehler und multipliziert mit den 3000 Anlagen in NRW.
Alternative Betrachtung
Die Zwergfledermaus trägt laut Dürr in Deutschland mit 21% zu den Schlagopfern bei, in NRW mit 71% (meine Meinung: vmtl. wegen der kleinen Stichprobengröße und der unsystematischen Suche fehlerhaft). Experten in Deutschland gehen von ca. 10 toten Fledermäusen je WEA aus, daraus folgen per obiger Anteile ca. 2,1 (D) bis 7,1 (NRW) tote Zwergfledermäuse je Jahr je Anlage. Die Zahl an jährlichen Schlagopfern in NRW wird daher wohl - fachlich belastbar - zwischen ca. 6300 und beinahe 21300 liegen. 10-20000 tote Zwergfledermäuse in einem Jahr. In NRW. Also deutlich unter den 76000 Opfern, aber eben auch eine recht akkurate Zahl und immer noch eine nicht gerade kleine Zahl an toten Tieren je Jahr. Für die Zweifler: Diese Zahlen sind keine Erfindungen, sondern basieren leider alle auf Fakten. Sei es die Anzahl der Windenergieanlagen, oder die Anzahl geschlagener Tiere.
Guter Erhaltungszustand oder echtes Lebensrisiko durch WEA?
Das Land NRW argumentiert in seinem im November 2013 erschienenem Leitfaden7, dass die Zwergfledermaus eigentlich nicht geschützt werden muss. Ausser die WEA wird in einer Entfernung von maximal einem Kilometer zu einer Wochenstube mit mindestens 50 Köpfen gebaut. Dann muss die Zwergfledermaus wenigstens berücksichtigt werden. Und nur in begründeten Fällen würde sie dort beachtet werden müssen. Denn, so die Argumentation, eine Windkraftanlage die zum Tode führt ist ein allgemeines Lebensrisiko im Sinne der Verwirklichung eines sozialadäquaten Risikos. Das sieht die einzelne, nun tote, Zwergfledermaus vermutlich anders.
Erhaltungszustand der Art
Der Leitfaden liefert auch eine Begründung für diese Behandlung der Zwergfledermaus:
Sie [sic. Zwergfledermaus] ist mit Abstand die häufigste Fledermausart in Nordrhein-Westfalen und kommt in Nordrhein-Westfalen in nahezu jeder Ortschaft vor. In der aktuellen Roten Liste NRW (LANUV 2011) wird die Zwergfledermaus als „ungefährdet“ geführt.
Diese Begründung klingt erstmal gut, und die Aussage zur Häufigkeit der Art ist absolut korrekt. Die Zwergfledermaus kommt durch ihren opportunen Lebensstil überall in Deutschland vor. Die Population wird überall als stabil eigeschätzt. Durch die Nutzung von kleinen Spalten als Quartieren in und an Häusern ist nicht wie bei Waldfledermausarten die Quartierverfügbarkeit so bestimmend für das Überleben. Die geringe Spezialisierung bei der Jagd ermöglicht im Gegensatz zu den echten Nahrungs-Spezialisten ein gutes Überleben. Für den Laien also eine klare Sache. Als Biologe denkt man jedoch sofort darüber nach, ob beide Faktoren stabil wirken, oder ob es bei Änderungen von Quartier- oder Nahrungsverfügbarkeit nicht doch eine merkbare Verschlechterung geben kann. Oder aber, wie sind Lebensrisiken einzuschätzen?
Lebensrisiko - was ist das?
Lebensrisiko wurde ca. 1960 zuerst für den Menschen definiert und wurde auf die Natur übertragen. Es bezeichnet Vorgänge des Alltags, bei denen Zufall eine Rolle spielt8. Ein Lebensrisiko führt zu Nachteilen, für die es keinen Schutz durch Haftung gibt und die durch Teilnahme am Verkehr oder an der Natur (=Leben) entstehen. Das bedeutet für ein Tier entweder den Verlust von Quartieren, den Verlust von Nahrung oder den Todesfall, ohne dass der Verursacher zur Haftung gezogen werden kann. Für eine Fledermaus wird das von Experten wie folgt ausgelegt:
MR Prof. h.c. Dr. iur Hans Walter Louis LL.M. (UC Los Angeles), Braunschweig Die naturschutzrechtlichen Anforderungen an den Artenschutz in der Bauleitplanung http://www.dihk.de/themenfelder/standortpolitik/raumordnung-stadtentwicklung/stadtentwicklung/staedtebau-und-immissionsschutz/2011/vortraege/09-louis-artenschutz.pdf/view Die naturschutzrechtlichen Anforderungen an den Artenschutz in der Bauleitplanung %} Zusammenfassend wird man davon ausgehen können, dass ein signifikant erhöhtes Risiko einer Tötung gegeben ist, wenn die Wahrscheinlichkeit des Todes sich infolge der Errichtung oder des Betriebs der Anlage deutlich erhöht. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Tiere mit beweglichen Gegenständen wie Autos oder Windkraftanlagen konfrontiert werden, deren Bewegung und Geschwindigkeit sie nicht berechnen können.
In meinen Augen ist erfüllt, dass die Fledermaus die Tötung nicht vermeiden kann. Sie kann die drehenden Rotoren auf größere Distanz nicht wahrnehmen. Da sie bereits durch Luftwirbel (Barotrauma) deutlich vor dem Schlagbereich tödlich verletzt werden kann, kann sie auch nicht ausweichen, wenn sie näher kommt und vielleicht die Gondel oder den Mast doch noch orten kann (bei Zwergfledermäusen ca. 10 bis 20m … ). Die Wahrscheinlichkeit des Todes ist dann groß, wenn sie sich in dem Gefahrenbereich des Rotors entweder lange oder wiederholt aufhält. Also sie jagt dort oder kommt auf Grund von Zugverhalten oder des Flugwegs zum Jagdgebiet immer wieder dort vorbei. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass sie sogar angelockt wird. Es gibt Hinweise, dass Zwergfledermäuse im Rahmen des Explorationsverhaltens den Mast nach oben folgen, bis in den Rotorbereich. Dies alles kann und muss untersucht werden, um zu ermitteln, ob sich das Tötungsrisiko signifikant erhöht. Das Tötungs/Verletzungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist damit - wenigstens nach meiner fachlichen Kenntnis zur Ortung und dem Verhalten von Fledermäusen - nicht erfüllt.
Unabhängig vom BNatschG interessiert mich aber auch, ob sich kumulative Effekte auf die Zwergfledermauspopulation negativ auswirken und so eine besondere Gefährdung in ganz NRW herbeiführen können. Gibt es denn andere - vermeidbare oder haftbare - Ereignisse, die zum Tod einer Fledermaus und in der Folge vielleicht sogar zum Erlöschen einer Population der Zwergfledermaus führen können?
Lebensrisiken und Gefährdungen
Gerade die Zwergfledermaus gilt als eine Art mit gutem Erhaltungszustand. Die Basis hierfür sind Untersuchungen und Zahlen der letzten 30 bis 40 Jahre. Sie wird häufig nachgewiesen. Insofern lässt sich leicht argumentieren, dass ein paar Opfer durch WEAs von der Art verkraftet werden können.
Nun ist es so, dass es andere Veränderungen des Lebensraums gibt, deren Auswirkungen auf Fledermauspopulationen wir momentan überhaupt nicht abschätzen können. Im Falle der Zwergfledermaus sind dies Veränderungen der Quartiere und der Nahrungsverfügbarkeit im Siedlungsraum. Insbesondere kommt es potenziell zu massiven Eingriffen bei der Quartierverfügbarkeit. Ein Zauberwort hier nennt sich energetische Sanierung bzw. energiesparende Bauweise mit Dämmung. Die Bundesregierung fördert die Dämmung von Häusern durch zahlreiche Massnahmen. Das bedeutet aber auch, dass häufig Spaltenquartiere an älteren Häusern verschwinden, unter Umständen sogar Tiere lebendig eingedämmt werden. Neue Häuser weisen keine Spalten, Ritzen oder Zugänge zum Dachboden mehr auf, da hier von Vornherein eine möglichst gute thermische Isolierung erzielt werden soll. Wer durch die Wohngebiete der Städte in NRW fährt, wird alle Naselang ein Baugerüst sehen, abgedeckte Dächer oder frisch aufgebrachte Dämmung. Hierbei wird in der Regel keinerlei Prüfung auf Fledermäuse durchgeführt, so dass die Landesregierung respektive das Umweltministerium überhaupt nicht abschätzen kann, wie viele Opfer es hierbei gibt. Aber dennoch wird der Erhaltungszustand auf Grund der Häufigkeit in Siedlungen als gut angesehen. Ich sage: gerade durch die Häufigkeit der Art und durch die häufig schnellen und massiven Eingriffe werden ganze Populationen ausgelöscht. Das werden wir jedoch ohne wirklich effektive und umfassende Monitoringprojekte nicht so schnell feststellen. Und in einigen Jahren ist dann plötzlich die Zwergfledermaus als Art wieder bedroht.
Ein anderes Problem für die Zwergfledermaus entsteht durch den Verlust von Nahrungs-Insekten im Umfeld der Wochenstuben. Versiegelung und Lichtfallen stellen hierbei die wahrscheinlichsten Ursachen dar. Wie sich diese direkt oder indirekt auf Zwergfledermaus-Populationen auswirken, ist überhaupt nicht bekannt oder untersucht. Jedoch wissen wir, dass die Nahrungsinsekten wiederum auch Nahrung oder Fortpflanzungsmöglichkeiten benötigen. In der Regel spielt hierbei grüne Vegetation eine wichtige Rolle. Durch den Bedarf an Wohnraum verdichten wir bestehende Siedlungen nach, die Versieglung einstiger Grünflächen ist in der Regel sehr hoch. Außerdem beleuchten wir unsere Häuser, Gärten und Strassen teils die gesamte Nacht und fangen so aktiv Insekten an den Lichtern. Diese Insekten verenden dort und können sich nicht mehr Fortpflanzen. Dies könnte dazu führen, dass von einem Jahr aufs andere in einem Gebiet nicht mehr ausreichend Nahrungsinsekten für Fledermäuse vorhanden sind. Dies kann entweder zum Verlust (Tod, Umzug) der Fledermäuse führen, oder aber diese müssen größere Strecken zu Nahrungshabitaten u.U. auch ausserhalb der Siedlungen zurücklegen. Das kann sie dann aber auch wiederum häufiger in den Wirkbereich der WEAs oder anderer Gefahren bringen. Somit wird die auf Dauer durch gestiegene Energiekosten oder erhöhte Unfallgefahr die Population schrumpfen.
Populationsentwicklung
Update
Eine wichtige Rolle bei der Interpretation der oben genannten Schlagopferprognosen spielt die Populationsgröße. Eine sehr große Population verkraftet Schwund besser, als eine kleine. Nun kennen wir natürlich die genaue größe der Zwergfledermauspopulation in NRW nicht. Jedoch gibt es wohl beim LANUV Daten zu den bekannten Wochenstuben, denn die Artbeschreibung beinhaltet die Angabe, dass die Wochenstuben mehr als 80 Tiere im Schnitt betragen.
Meine Anfrage beim LANUV zur Populationsgröße wurde nun per Mail beantwortet. Leider mit negativem Ergebnis. Weder kann eine genaue Populationsgröße noch eine Zahl zu den Wochenstuben angegeben werden. Leider ist nicht offensichtlich, auf welcher Basis die oben genannte mittlere Größe der Wochenstuben in NRW ermittelt wurde. Ich werde daher vorerst von Simulationen der Populationsentwicklung bei verschiedenen Szenarios absehen. Falls ich dennoch belastbare Schätzer ermitteln kann, hole ich das nach.
Und dann war da noch…
Im Rahmen eines BMU-Projektes wurde die Problematik Fledermauschschlag an WEAs ausführlich untersucht. Der Leitfaden beruft sich auf dieses Projekt und schreibt die Anwendung der Ergebnisse vor. Im Rahmen des Projektes wurde jedoch nicht Artgenau untersucht, sondern die betroffene Fledermausfauna in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine nennt sich Pipistrelloid und beinhaltet neben der Rauhhaut und Mückenfledermaus auch die Zwergfledermaus. Da aus den veröffentlichten Formeln die Zwergfledermaus nicht herausgerechnet werden kann, muss sie bei Anwendung der Projektergebnisse entgegen der eigentlichen Regelung des Leitfadens dann doch wieder berücksichtigt werden. Kann es sein, dass sich im Umweltministerium niemand genauer mit dem BMU-Projekt und dessen Ergebnissen beschäftigt hat. Vielmehr scheint man es sich einfach gemacht zu haben und nur darauf verwiesen zu haben. Ich werde den Eindruck auch aus anderen Gründen nicht los. Dazu aber vielleicht mehr in einem anderen Blog-Artikel ;)
Fazit
Mit dem aktuellen Leitfaden von NRW riskieren wir den Erhaltungszustand der Zwergfledermaus. Ohne weiteres Wissen und ohne Untersuchungen müssen wir vielleicht in wenigen Jahren plötzlich eine Verschlechterung feststellen und dann teure Artenschutzprogramme für die Zwergfledermaus einführen. Diese müssen dann vom Steuerzahler und nicht vom eigentlichen Verursacher - u.a. den WEA-Betreibern - bezahlt werden. Also absolut entgegen dem Verursacherprinzip. Entweder muss sehr schnell eine Verbesserung des Leitfadens herausgegeben werden, oder aber es muss im Siedlungsbereich ein stark erhöhter Schutz für diese Art betrieben werden. Anders kann es zu einem vielleicht hohem Populationsrückgang kommen.
Planern empfehle ich dringend, die Zwergfledermaus entgegen des Leitfadens (Stand November 2013) dennoch zu beachten. Nur so kann im Falle einer Klage die Genehmigung für den Betrieb nicht nachträglich entzogen werden. Der Leitfaden spiegelt nur die Rechtsmeinung des Umweltministeriums wider, muss aber nicht von einem Gericht dann genauso interpretiert werden. Hierzu nenne ich nur als ein Beispiel die Behandlung der Wiesenweihe im Landkreis Aurich und die vorübergehende Abschaltung der Anlagen eines Standorts9. Besser ist doch dann die Vorsorge und Beachtung der Zwergfledermaus, um im Nachhinein nicht ungeplante Ausfälle erleiden zu müssen. Klar, die Aktionäre wollen maximale Dividenden und Gewinne, aber das sollte heute nicht mehr das oberste Ziel sein.
Vor allem da die Folgerung, dass der Schlag der Zwergfledermaus als Lebensrisiko nicht haftbar ist, in diesem Zusammenhang als sehr kritisch beurteilt werden muss. Wie Oben ausgeführt, ist nach gültiger Definition der Schlag an einer WEA eben kein allgemeines Lebensrisiko und damit ein Verbotstatbestand.
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https://www.umwelt.nrw.de/naturschutz/pdf/13_11_12_nrw_leitfaden_arten_habitatschutz.pdf ↩
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u.a. Davidson-Watts & Jones (2006); Nicholls & Racey (2006) ↩
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http://www.lugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.312579.de ↩
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mittels http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Windkraftanlagen_in_Nordrhein-Westfalen : Da in der Liste einzelne Anlagen nicht berücksichtigt werden, habe ich den berechneten Mittelwert von 8,24 WEA je Park auf 6 erniedrigt. Vmtl. liegt er jedoch noch niedriger. ↩
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http://www.rp.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/show/1302099/rpf-ref56-windkraft.pdf ↩
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Leitfaden zur Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in NRW ↩
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Az 5 B 1246/11, VG Oldenburg, zB hier http://www.rechtslupe.de/verwaltungsrecht/umweltrecht/wiesenweihe-statt-windkraft-330621 ↩