Zwergen-Getriller
30.06.2014Auch nach mehr als 15 Jahren, die ich mich mit Fledermausrufen beschäftige, tauchen immer wieder unbekannte Rufe auf. Dazu zählen auch Sozialrufe, die man teils nur mit Glück oder an besonderen Standorten aufzeichnen kann, Jetzt gelang dies vor meiner Haustüre, dort konnte ich durch Zufall besonders viele Sozialrufe von Zwergfledermäusen aufzeichnen. Vermutlich flogen an diesen Tagen die ersten Jungtiere mit aus. Vielleicht helfen solche Rufe auch einmal Wochenstubenquartiere zu identifizieren.
Standort und Vorgeschichte
Die Aufnahmen wurden mit einem batcorder und Box-Erweiterung von einem Giebelfenster erstellt. Die Box ist für eine Dauererfassung im Fenster installiert. Die Aufnahmen entstanden im Randbereich von Münster. Das Haus gegenüber des Fensters hat im Vorjahr einer kleinen Gruppe Zwergfledermäuse als Quartier gedient (unter Dachziegeln am Trauf). Wochenstuben oder andere Quartiere im direkten Umfeld sind unbekannt.
Die Erfassung läuft jede Nacht seit dem 26. Mai von jeweils 21:45 bis 6:30. In allen Nächten wurden primär Zwergfledermäuse aufgezeichnet (30 bis 200 Aufnahmen je Nacht). In der Regel handelte es sich dabei um normale Rufsequenzen mit Fangereignissen. Unregelmässig wurden auch typische Sozialrufe (Triller bei ca. 20 kHz) aufgezeichnet. Ausserdem war die Breitflügelfledermaus noch regelmässig am Standort. Seltener wurden Abendsegler und Rauhhautfledermaus, vereinzelt auch die dort sehr seltene Mückenfledermaus verzeichnet.
Dann plötzlich … Sozialrufe im Überfluss
Am 15.6. wurden dann plötzlich sehr viele Sozialrufe verzeichnet - jedoch nicht die typischen Balz-Ruf artigen, sondern Rufe, wie sie eigentlich nie aufgezeichnet werden. Manche der Rufe werden in der Literatur als Kontaktrufe bezeichnet, aber daneben waren auch zahlreiche Rufe, die sich nicht wirklich einer Funktion zuordnen liessen oder in der Literatur beschrieben waren. Neben sehr hohen Rufen, die man eigentlich ansonsten der Mückenfledermaus zurechnen würde, auch Folgen von tiefen, längeren Rufen. Und dazwischen Tonleiterartige Ruf-Folgen. Diese plötzliche Änderung spiegelt sich auch im nächtlichen Aktivitätsmuster wieder. Die folgende Grafik zeigt die Aktivitätsverteilung im Nachtverlauf für normale Nächte sowie die mit den Sozialruf-Ereignissen. Die Daten sind auf den Sonnenuntergang normiert.
Ruftypen
Es folgt eine Übersicht der wichtigsten Ruftypen, die wiederkehrend in drei Nächten aufgezeichnet wurden. Sichtbeobachtungen an einem Abend zeigten, dass häufig zwei Tiere im Tandemflug am Mikrofon vorbeiflogen.
32-34 kHz Rufe, eingestreut
Die folgenden Rufe finden sich in Folgen normaler Ortungsrufe eingestreut. Sie treten regelmässig auf, teils 5 bis 10 Stück in Folge. Die Rufe starten bei 65 bis 70 kHz und fallen in einem gleichmässigem Bogen ab auf 32 bis 34 kHz. Sie weisen eine Dauer von 15 bis vmtl. 30 ms auf.
Lange 20 kHz Rufe, eingestreut
Die folgenden Rufe finden sich in Folgen normaler Ortungsrufe eingestreut. Sie treten regelmässig auf mit großen Abständen. Die Rufe starten bei ca. 35 kHz und fallen in einem gleichmässigem Bogen ab auf ca. 20 kHz. Der 20 kHz Abschnitt stellt einen Großteil des Rufs. Sie weisen eine Dauer von 30 bis 40 ms auf.
Tonleiter-artige Ruffolgen
Ab und an finden sich Tonleiter-artige Ruffolgen, beginnend bei tiefen-frequenten Rufen (um 20 kHz), die dann bis zur Frequenz der normalen Ortungsrufen ansteigen. Diese Tonleitern bestehen aus 3 bis 7 Rufen. Sie treten immer wieder auf, aber nicht so häufig wie die bisher beschriebenen Laute.
Ruf-Staccato
Dieser Ruftyp wurde ebenso nur selten aber dennoch regelmässig aufgezeichnet. Es handelt sich um eine rasche Folge von fm-Rufen beginnend bei ca. 45-50 kHz und meist in sigmoiden Verlauf abfallend auf etwa 25 kHz. Die Einzelrufe dieses Elements haben eine Dauer von gut 15 bis 20ms. Anscheinend werden diese Rufe nur zusammen mit den normalen Sozialruftrillern (oder Balzrufen) verwendet. Es folgt eine längere Sequenz dieser Rufe sowie danach ein Ausschnitt mit besserer Auflösung.
Fazit
Einige der von den Zwergfledermäusen verwendeten Rufen könnten ohne den Kontext und das massive Auftreten sowohl mit anderen Arten (Rauhhautfledermaus) als auch mit anderen Gattungen (Eptesicus) verwechselt werden. Die Rufe waren an diesem Standort auf 4 Nächte konzentriert, weder davor noch danach wurden solche Rufe erneut aufgezeichnet (Stand 29.6.). Aber, es nicht auszuschliessen, dass auch im Jagdhabitat vereinzelt solche Rufe aufgezeichnet werden. In meinen eigenen Daten habe ich ähnliche Rufe vereinzelt bereits gesichtet, konnte aber den Kontext und die Art bisher nicht sicher feststellen.