Vergrämung an WEA
24.11.2017Treten Fledermäuse im Rotorbereich einer WEA auf, dann werden momentan Abschaltungen des Betriebs bei vorgegebenen Umweltparametern durchgeführt. So sollen vermeidbare Schlagopfer wenn möglich auch tatsächlich vermieden werden. Dies bedeutet Ertragseinbußen der WEA-Betreiber, so dass andere Lösungen gewünscht werden. Eine dieser möglichen Lösungen ist die akustische Vergrämung. Ich will diese im Folgenden kurz beschreiben und zeigen, wieso diese nicht überschätzt werden sollte und welche neuen Probleme sie schafft.
Studien im Rahmen des Strassenbaus haben ergeben, dass Fledermäuse Lärm meiden1. Überlagern Geräusche die Ortungslaute, dann verringert sich die Effizienz der Echoortung bis hin zur Meidung der verlärmten Umgebung. Wissenschaftler in den USA versuchen dies auch auf Windräder zu übertragen2. Mittels Lautsprechern wird der Bereich des Rotors so beschallt, dass potenziell auftretende Tiere nicht mehr in den Gefahrenbereich einfliegen. Die Idee ist, dass dann die Rotoren nicht mehr zur Minderung des Fledermausschlags abgestellt werden müssen.
Forschungen in den USA
Die zugrundeliegende Idee ist es, die Ortungslaute respektive deren Echos durch Rauschen zu maskieren. Durch den “Orientierungs-Verlust” sollen Fledermäuse den beschallten Bereich meiden. Auf diese Art und Weise werden Bereiche unattraktiv für Fledermäuse gestaltet, in denen sie durch menschliche Einflüsse stark gefährdet sind. Erste Ergebnisse aus den USA zeigen, dass die Schlagrate an kleinen Rotoren gesenkt werden kann.
Übertragung auf Europa
Der nächste Schritt nach einem wissenschaftlich begleitetem erfolgreichen Test in den USA ist die Übertragung auf europäische Fledermausarten. Auch für diese muss ausfühhrlich die Wirksamkeit überprüft werden. Zwar ist das Funktionsprinzip der Störung sicherlich auf alle Arten übertragbar, jedoch können sich Hörschwelle ebenso wie die Toleranz für die Störung zwischen Arten deutlich unterscheiden. Denn die Autoren erkennen klar eine unterschiedliche Wirkung besonders im Hinblick auf die von den Tieren genutzten Frequenzen. Auch können Gewöhnungseffekte bisher nicht sicher ausgeschlossen werden.
Schallphysik
Damit die akustische Vergrämung wirksam ist, muss das ausgesendete Schallsignal so laut sein, dass es die Ortung der Fledermäuse stört und diese dann den Luftraum meiden. Bei modernen WEA wird von Rotorradien von 70 m ausgegangen. Damit muss das akustische Störsignal 70 bis 90 m weit reichen und dabei immer noch laut genug sein, um auch wirksam zu bleiben. Das sehen auch die Autoren der Studie aus den USA als Problem. Zur Störung der Echoortung erwarten die Autoren, dass mindestens 65 dB nötig sind. Die folgende Abbildung zeigt für 20 und 40 kHz bei einer Ausgangslautstärke von 130 dB SPL (@10cm) die durch Abschwächung und Ausbreitung erzielbaren Pegel in diversen Entfernungen.
Für ein 20 kHz Störsignal ist technisch bei Rotorradien von 40 bis 50m vermutlich lösbar. 40 kHz Störsignale sind jedoch deutlich stärker limitiert. Die folgende Grafik zeigt für zwei Ausgangslautstärken die Reichweiten.
Bei höheren Frequenzen ist die Vergrämung offensichtlich nur noch bedingt möglich, vor allem dann, wenn Rotorradien ansteigen. Dies ist bei 40 kHz zum Beispiel nur möglich, wenn der Ausgangspegel bei weit über 200 dB SPL liegt (gemessen in 10 cm). Das ist technisch meiner Meinung nach nicht möglich.
Realisierung und Kosten
Betrachtet man dann noch die Kosten durch Technik, Überwachung der Technik und den Stromverbrauch der Ultraschalllautsprecher, dann ist dies keine sinnvolle Vergrämungsmassnahme bei modernen Anlagen. Die Lautsprecher müssen durchgehend auf Funktion getestet werden. Nur wenn die Schallausgabe funktioniert, kann auch die Vergrämung und damit der Schutz nach §44 realisiert werden. Das wiederum bedeutet eine ausgefeilte Überwachungstechnik ist nötig, um jeden Lautsprecher zu täglich prüfen. Je größer die Rotoren, desto lauter muss Schall abgespielt werden und desto mehr Lautsprecher werden benötigt. Das wiederum bedeutet nicht nur erhöhte Anschaffungskosten, sondern auch erhöhten Stromverbrauch. Auch hier gilt es zu prüfen, ob die Bilanz am Ende im Vergleich zu einer Abschaltalgorithmik entsprechend positiv ausfällt. Zu guter Letzt gilt zu prüfen, ob und wie die Anbringung und Stromversorgung überhaupt sinnvoll lösbar ist. Es sind entsprechende Eingriffe in die Gondelstruktur nötig sowie Anpassungen an zahlreiche Gondeltypen. Die Einsatzorte sind sehr heterogen.
“Schallverschmutzung”
Wäre eine ausreichend dimensionierte, akustische Vergrämung möglich, d.h. der Luftraum um den Rotor komplett mit Schall “unwirtlich” gemacht, dann ergibt sich ein anderes Problem. Durch solch eine Massnahme würden Lebensräume verloren gehen, die bei einer Abschaltung der WEA noch weiter nutzbar wären. Insofern müsste damit eine Ausnahme nach §45 BNatschG erteilt werden und durch den Betreiber Ersatz im Rahmen von CEF-Massnahmen zur Verfügung gestellt werden.
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Schaub, A., Ostwald, J., & Siemers, B. M. (2008). Foraging bats avoid noise. The Journal of Experimental Biology, 211(18), 3036–3036. http://doi.org/10.1242/jeb.037283 ↩
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Arnett, E. B., Hein, C. D., Hein, C. D., Schirmacher, M. R., Schirmacher, M. R., Huso, M. M. P., et al. (2013). Evaluating the Effectiveness of an Ultrasonic Acoustic Deterrent for Reducing Bat Fatalities at Wind Turbines. PLoS ONE, 8(6), e65794–11. http://doi.org/10.1371/journal.pone.0065794 ↩