Grundlagen der Echoortung
11.07.2013Fledermäuse nutzen Ultraschall zur Orientierung. Dazu senden sie ein Signal aus und analysieren die von Objekten zurückkehrenden Echos. So erstellen sie ein “Abbild” der Umwelt und können Hindernisse und Nahrungsinsekten erkennen. Um sich in verschiedenen Situationen optimal zu orientieren, verändern Fledermäuse ihre Ortungsrufe, was zu einer teils sehr hohen Plastizität führt. Die Echoortung unterscheidet sich zwischen Arten teilweise sehr stark, ein Hinweis auf unterschiedliche ökologische Einnischung bzw. verschiedene Strategien bei der Nahrungssuche.
Eigenschaften der Rufe
Betrachtet man Ortungsrufe, dann finden sich diverse Eigenschaften, an Hand derer sich Rufe beschreiben und unterscheiden lassen. Im Folgenden wird ein Überblick über diese Parameter und ein Überblick über die Echoortung gegeben.
Ruflänge
Betrachtet man die Rufe europäischer Fledermausarten, findet man teils große Unterschiede in den Längen der genutzten Rufe. Manche Arten wie z.B. die Langohren, nutzen meist sehr kurze Rufe mit weniger als 4 Millisekunden Länge. Zwergfledermäuse dagegen kommen bereits auf Ruflängen von 5 bis 8 Millisekunden. Rufe der Arten der Gattung Nyctalus erreichen dagegen 10 bis zu 30 Millisekunden Länge. Generell eignen sich lange Ortungsrufe für die Detektion von Beute auf größere Distanz (Energie) und werden meist von größeren Arten genutzt. Lange Rufe sind meist auch von tieferfrequent rufenden Arten bekannt. Höhere Ruffrequenzen gehen meist auch mit kürzeren Rufen einher.
Unabhängig der Teils großen Unterschiede der Rufe mancher Arten lassen sich Muster erkennen, wie die Fledertiere ihre Ortungsrufe an verschiedene Situationen anpassen. Die Ruflängen weisen - mit wenigen Ausnahmen - eine große Variabilität auf. Beinahe alle Arten verwenden kurze Rufe, wenn sie in engen Flugräumen oder nahe an Strukturen fliegen. Je größer der Flugraum, d.h. je weiter entfernt sich reflektierende Objekte (z.B. Vegetation) befinden, desto länger werden die verwendeten Rufe. Dies ist eine Anpassung an die akustische Orientierung. Denn während des Rufs ist das Ohr unempfindlich, und Echos von Objekten können erst nach dem Rufende registriert werden. Je länger der Ruf ist, desto länger auch die mögliche Laufzeit eines Echos, das noch mit dem Ruf eintrifft. Man spricht dann auch von einem “blinden Fenster”. Weiterhin hat die Ruflänge Einfluss darauf, wie gut Beute vor Objekten erkannt werden kann. Je länger der Ruf, desto größer muss der Abstand des Insekts vor einer Struktur sein, um akustisch geortet werden zu können. Daher können lange Rufe mit viel Energie in einem Band nur verwendet werden, wenn es wenig oder keine anderen reflektierenden Strukturen in der Umgebung gibt. Nur dann kann das Tier die erhöhte Reichweite eines langen Rufs nutzen.
Manche Arten nutzen besondere Anpassungen ihrer Ortungsrufe, um diese Limitierung zu umgehen. So zum Beispiel die Hufeisennasen, die ihre Rufe so in der Frequenz verschieben, dass die Echos in der Frequenz am Ohr eintreffen, für die sie am empfindlichsten sind. Eine andere Anpassung zeigt z.B. die Fransenfledermaus, die sehr stark modulierte Rufe nutzt, und so vermutlich auch toleranter gegenüber der Überlappung von Echos der Beutetiere und Vegetation ist.
Ruffrequenz
Fledermäuse nutzen einen sehr breiten Frequenzbereich für Ihre Ortungsrufe. Die tiefsten Frequenzen liegen noch im vom Menschen hörbaren Bereich (bis zu 10 kHz), die höchsten bei bis zu oder über 170 kHz. Es kann eine Allometrie der Ortungs-Frequenz beobachtet werden. Die Ruffrequenz ist negativ mit der Größe der Art korreliert ist. Es ist sehr häufig zu beobachten, dass kleinere Fledermausarten höher-frequente Rufe nutzen. Große Fledermausarten verwenden dagegen tiefere Frequenzen. Ausnahmen stellen z.B die Hufeisennasen. Wie auch die Ruflänge wird die die Ruffrequenz an die jeweilige Flugsituation angepasst, und ist daher plastisch. Nur selten werden Signale mit genau einer Frequenz verwendet (cf = constant frequency), sondern frequenz-modulierte Rufe (fm = frequency modulated) oder Mischformen.
Das verwendete Frequenzband hat große Auswirkung auf die Wirksamkeit der Echoortung. Tiefe Frequenzen tragen sehr viel weiter als hohe Frequenzen und werden daher von Jägern des freien Luftraum bevorzugt verwendet. Jedoch ergibt sich bei tiefen Frequenzen eine geringere Auflösung, d.h. kleinere Insekten können unter Umständen nicht detektiert werden. Während konstant-frequente (cf) Rufe sich sehr gut für die Jagd und Orientierung im freien Luftraum eignen, sind modulierte Rufe (fm) besser für strukturierte Flugräume geeignet (cluttered space). Viele Fledermausarten können ihre Rufe daher in Bezug auf die Rufform und die genutzten Frequenzen variabel an die Flugsituation anpassen.
Lautstärke
Fledermäuse sind in der Lage, die Lautstärke ihrer Rufe über einen weiten Bereich anzupassen. Jagt ein Tier im freien Luftraum, nutzt es in der Regel lautere Rufe, um eine größere Reichweite zu etablieren. Je näher sich ein Tier an Strukturen wie Vegetation befindet, desto leiser werden die Rufe. Auch beim Beutefang passen Fledermäuse ihre Ruflautstärke normalerweise an die Entfernung der Beute an. So wird meist bei Annäherung an die Beute die Lautstärke so abgesenkt, dass die Echos immer mit gleicher Intensität eintreffen. In der Natur sind Lautstärken von 80 dB bei leisen Arten bis zu ca. 140 dB bei laut rufenden Arten anzutreffen. Aber auch eine sehr laute Art kann entsprechend der Flugsituation die Ruflautstärke um das 10-fache oder mehr senken.
Für die Ortung spielt die Lautstärke eine sehr wichtige Rolle, denn über sie kann die Fledermaus entscheiden, wie weit sie in den Raum “sieht”. So kann sie weiter entfernte Objekte ausblenden, und sich auf nahe Objekte, wie z.B. Beutetiere fokussieren. Dies ist vergleichbar dem Abblend- und Fernlicht eines Autos.
Spezialisierungen
Auch wenn es zahlreiche Konvergenzen in Bezug auf die Anpassungen der Rufe an geänderte Flugsituationen gibt, sind die Rufe keinesfalls stereotyp. Manche Arten haben ihre Ortung besonders stark an einzelne Aufgaben angepasst, was auch bei einer Bestimmung der Art helfen kann.
Hufeisennasen
Insbesondere die Hufeisennasen nutzen deutlich anders gestaltete Ortungsrufe im Vergleich zu den meisten anderen Arten. Deren Rufe sind sehr lang und von konstanter Frequenz. Sie machen sich zum einen den Doppler-Shift zu nutze, der durch bewegte Objekte entsteht. Durch Anpassung der Ruffrequenz erreichen Sie dann Echos in der Frequenz, für die ihr Ohr am empfindlichsten ist. Ausserdem besitzen sie einen Flatter-Detektor, sie können die feinen Doppler-Shift-Muster im Echo erkennen, die durch den Flügelschlag von Insekten entstehen (Echofarbigkeit).
Passive Ortung
Während manche Arten durch besonders angepasste Rufe auch in dichter Vegetation noch Beute orten können, nutzen andere Arten die Tatsache aus, dass Insekten Geräusche produzieren. Sie lauschen auf solche Geräusche und finden ihre Beute auf diese Art. Die Ortung wird dann nur noch für das Erkennen von Hindernissen genutzt. So können Arten wie die Bechsteinfledermaus oder die Langohrfledermäuse auch in dichter Vegetation Beute jagen. Auch das Große Mausohr verlässt sich auf die passive Ortung von Beutetieren, wenn es dicht über dem Boden fliegt und Laufkäfer jagt. Alle Passiv-Orter reduzieren die Lautstärke ihrer Rufe in solchen Situationen stark, um nicht von der Beute gehrt zu werden, und um die Lautstärke der Echos von Hindernissen zu reduzieren.