Europäische Fledermausrufe - Aufzeichnen und Bestimmen

Erfassungsreichweite

Es halten sich manche Mythen in Bezug auf die Reichweite von Detektorsystemen. Manches ist grober Unfug, manches grob fahrlässig und manches ist korrekt. Physikalischer Unsinn ist es, von 250 m Detektions-Reichweite für den Großen Abendsegler zu sprechen. Wieso das so ist? Lesen Sie weiter.

Wie weit kann ich theoretisch hören?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Man kann testen und berechnen, und immer hängt es davon ab, wie laut die Schallquelle ist. Also wie laut die Fledermaus überhaupt ruft. Marc Holderied hat es untersucht, sehr systematisch, und man kann es in seiner Doktorarbeit nachlesen. Grob zusammengefasst die Lautstärken sind variabel. Größere Arten rufen lauter, kleinere Arten leiser. Im offenen Luftraum lauter als im cluttered space.

Nun, ein Wert von 136 dB SPL gemessen in 10cm vor der Fledermaus scheint sehr laut, wohl nahe der Obergrenze. Produziert vom Großen Abendsegler. Aus der Physik wissen wir auch, dass sich der Schalldruck mit einer Verdoppelung der Entfernung um 6 dB reduziert (halbiert). Man nennt dies geometrische Abschwächung. Daher messen wir also in 20cm noch 130 dB, in 40cm noch 124 dB und so weiter. Hinzu kommt die atmosphärische Abschwächung, die im Gegensatz zur geometrischen Abschwächung bei großen Distanzen deutlich stärker zur Begrenzung der Reichweite beiträgt. Die atmosphärische Abschwächung ist abhängig von Luftfeuchte und Temperatur sowie der Frequenz. Die folgende Grafik zeigt für eine 20 kHz Schallquelle mit 136 dB SPL source level (Großer Abendsegler) die Änderung mit zunehmender Entfernung. Dabei wurden drei Dämpfungen gewählt, wobei 0,4 bis 0,6 dB / Meter wohl am wahrscheinlichsten ist. Die Kurve für 0,2 dB / m ist also bereits sehr optimistisch. Die rote Linie liegt in dem Bereich, der von gängigen Mikrofonen noch detektiert werden kann.

Detektions-Reichweite für einen Abendseglerruf

Wie weit kann ich praktisch hören?

Selbst bei maximal optimistischer Betrachtung kann ein Abendsegler-Ruf wohl nicht weiter als 180m gehört werden, wie die Grafik deutlich zeigt. Realistisch sind bei hoher Mikrofonempfindlichkeit 90 bis 120m als maximale Reichweiten. Vermutlich rufen Abendsegler jedoch nicht immer mit 136 dB und auch die Mikroempfindlichkeit muss eher geringer angenommen werden (inkl. des Systemrauschens sind ca. 40 dB zu erwarten). Damit sind dann Reichweiten von 50 bis 130m möglich. Für höhere Frequenzen liegen die Reichweiten nochmals niedriger, da die Dämpfung je Meter auch Werte von über 1 dB erreicht. Die folgende Grafik zeigt Reichweiten für leisere 20 kHz (130 dB Quell-Schalldruckpegel), 40 kHz und 50 kHz (jeweils 120 dB SPL Quellen).

Detektions-Reichweite für 20,40 und 50 kHz Rufe

Was bedeutet all das?

Die genannten Werte liegen eher im oberen Drittel der möglichen Reichweiten. In der Praxis kann durch Luftfeuchte, Temperatur und vor allem Lautstärke der Fledermäuse ab und an mal eine größere Reichweite herauskommen. Aber meist werden die Werte der zweiten Grafik nicht erreicht werden. Für eine Abschätzung sind die Werte aber wohl als ausreichend gut anzusehen.

Zwergfledermaus und Co.

Aus den Werten folgt, dass bei Arten mit Rufen > 30 kHz die Erfassungsreichweite die Rotorlänge kaum oder nicht erreicht. Die Rauhhautfledermaus wird etwas besser erfasst als Zwerg- und Mückenfledermaus. Mopsfledermaus ruft vermutlich eher leise, sie wird also vermutlich deutlich kürzer detektiert als andere Arten. Generell können Reichweiten zwischen 15m und 60m für Pipistrelloide erreicht werden.

Abendsegler, Breitflügelfledermaus und Co.

Arten mit Rufen < 30 kHz werden vermutlich regelmässig über eine Entfernung detektiert, die der Rotorlänge entspricht. Natürlich aber nur, wenn die Tiere nicht beschliessen leiser zu Rufen. Extreme Reichweiten von > 150m sind utopisch. Realistisch sind Werte von 25m bis 150m

Wo liegt die Detektionsschwelle?

Die obigen Grafiken beinhalten eine rote Linie, die dafür steht, was das Mikro bzw. das System noch aufnehmen kann, so dass man einen Ruf erkennt. Dieser Wert wird beeinflusst durch den Signal-Rauschabstand (SNR) des Mikrofons und der analogen Schaltung. Weiterhin bestimmt die Aufnahmeauslösung, welche Signallautstärke wenigstens anliegen muss, um eine Aufnahme zu erhalten.

Einfluss von Mikrofon und Hardware

Um zu beurteilen, wie weit ein Fledermausruf gehört werden kann trägt neben der Schallphysik auch die verwendete Hardware, also das Mikrofon und die analoge und digitale Signalverarbeitung zur Reichweite bei. Jede Schaltung hat ein Eigenrauschen, das unabhängig vom Signal vorhanden ist. Dieses überlagert das Signal und kann leise Signale verdecken. Das Eigenrauschen eines Mikrofons liegt bei ca. 30 dB. Die Annahme von 40 dB Eigenrauschen für das komplette System ist eine sinnvolle Annahme. Das bedeutet dann Signal-Rauschabstände oder SNR von 70 bis 90 dB. Für die zweite Grafik von oben bedeutet dies eine rote Linie zwischen 30 und 40 dB, um die Reichweite zu ermitteln. Kommen auch noch akustische Störungen durch die WEA hinzu (Windrauschen oder mechanische Geräusche), dann wird der SNR sogar noch geringer ausfallen.

Aufnahmesteuerung

Neben den rein technischen Eigenschaften der analogen Hardware muss auch betrachtet werden, welche Eigenschaften das Verfahren der Aufnahmesteuerung hat. In der Regel zeichnen die Geräte nicht dauerhaft auf, sondern lösen dann eine Aufnahme auf, wenn ein Trigger-Ereignis eintritt. Der Auslösealgorithmus hat selber wiederum auch einen Signal-Rausch-Abstand, der zu dem der Hardware addiert werden muss. Wenn man hier für die Reichweite-Betrachtung von 3 bis 6 dB ausgeht, dann ist das eine gnädige Betrachtung. Also muss die rote Linie eigentlich noch höher liegen und die maximalen Detektionsreichweiten liegen unter den oben genannten.

Eine größere Reichweite wird übrigens auch nicht bzw. nur bedingt durch eine Verstärkung des Mikrofonsignals erreicht (gain). Denn durch eine gain-Anpassung wird nicht nur das Nutzsignal, sondern auch das Systemrauschen gleichermassen verstärkt. Daher wird ein Signal, das vorher im Rauschen verschwunden ist auch danach noch im Rauschen verschwunden sein.

Liegt die Aufnahmeschwelle sehr nahe am Rauschen, werden auch sehr viel mehr Fehlauslösungen entstehen. Da an WEAs der Geräuschpegel mit zunehmender Windgeschwindigkeit steigt, werden zunehmend mehr Aufnahmen erzeugt. Daher führt eine Reichweite-Erhöhung durch Anpassung der Aufnahmeschwelle zu exponentieller Aufnahmezahl. Diese Aufnahmen müssen dann aber wiederum auch alle auf Fledermausrufe kontrolliert werden. Da wird vermutlich ein hopher Anteil an manueller Kontrolle nötig sein, der nur bis zu einem gewissen Umfang sinnvoll zu leisten ist.

Die maximale Reichweite würde man erzielen, in dem dauerhaft aufgezeichnet wird und dann manuell die gesamten Aufnahmen geprüft werden. Für ein Dauermonitoring (12 Stunden je Tag, 210 Tage) kommen 9072000 Sekunden Tonaufnahmen zu Stande, das entspricht 8,65 TB an Daten bei 500 kHz und 16bit. Ob das sinnvollerweise manuell ausgewertet werden kann… nein.

Fazit

Maximale Reichweite für den Abendsegler liegt bei ca. 100m bis 130m, wird aber vermutlich nur selten erreicht. Für Korrekturen in Bezug auf den Rotordurchmesser sind Werte um 40m bis 70m noch sinnvoll vertretbar. Pipistrelloide Arten müssen deutlich niedriger angesetzt werden. 20m bis 30m sind sinnvolle Werte für eine Korrektur, vereinzelt werden auch Reichweiten von 40m erzielt.

Diese Werte sind gültig für alle Systeme, da sie auf den Grundlagen der Schallphysik sowie den technisch möglichen Rahmenbedingungen basieren. Diese gelten für alle Geräte. Sogar wenn mit technischen Tricks nochmals ein kleiner zusätzlicher Gewinn an Reichweite herausgeholt werden kann, wird das nicht mehr als 3 dB und damit nicht mehr als ein paar Meter zusätzliche Reichweite bedeuten. Und bei den Berechnungen in diesem Artikel sind vor allem einige Fakten geschönt, den wie erwähnt kann zum Beispiel die Reichweite deutlich niedriger ausfallen, wenn die WEA bei Wind ein Rauschen oder andere Störgeräusche wie Quietschen erzeugt. Dann müssen im schlimmsten Falle die Werte nochmals halbiert werden.

Ach ja, nur damit es nicht heisst, dass man ja doch weiter hören kann… mit einem guten Mischerdetektor klappt das wohl auch mit 150m für den Abendsegler. Aber, da erkennt unser Gehör und Hirn den Ruf noch gerade so im Rauschen. Die obigen Betrachtungen beziehen sich auf die Aufzeichnung für eine Computeranalyse im Rahmen des Dauermonitorings auf WEA-Gondeln. Genau dort wo eben ein Mensch nicht mit einem Mischerdetektor arbeiten kann.

Eine Betrachtung des selben Themas mit Schwerpunkt auf dem batcorder finden Sie hier: Reichweite WEA des batcorder.

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