Europäische Fledermausrufe - Aufzeichnen und Bestimmen

Bewertung von Aktivität - Stetigkeit

Regelmässig werde ich gefragt, wie die Aktivität an Standorten zu bewerten ist. Auch in Gutachten, die ich auf den Tisch bekomme, sehe ich, welche Probleme solch eine Bewertung bereitet. Nicht immer wird dies dann aus meiner Sicht zufriedenstellend gelöst. Eine Standardantwort kann ich auch nicht geben, denn die Problematik ist sehr komplex. Aber vielleicht gibt der folgende Artikel ein paar Anregungen, wie die Stetigkeit des Auftretens von Arten zur Bewertung genutzt werden kann.

Ein immer wiederkehrendes Problem ist die Bewertung von Aktivität bei akustischen Untersuchungen. In einem früheren Artikel habe ich bereits die Kontaktzahl als Aktivitätsmaß erwähnt. Diese kann zwischen Standorten verglichen werden, um Unterschiede zu ermitteln. Insbesondere für wissenschaftliche Arbeiten sind solche Vergleiche häufig erwünscht. Auch im Rahmen von Gutachten ist ein solches Aktivitätsmaß eine Möglichkeit der Wertung. Jedoch besteht die Aufgabe in der Eingriffsplanung nicht zwingend Standorte zu vergleichen und den mit der geringsten Aktivität - sprich z.B. geringsten Kontaktzahl - dann für den Eingriff frei zu geben.

Wissenschaftliche Untersuchungen versus Eingriffsplanung

In wissenschaftlichen Untersuchungen werden unter anderem Nutzungsmuster von Habitaten untersucht. Häufig ist dabei ein Aspekt die Nutzung verfügbarer Habitate im direkten Vergleich je Art. Dazu kann es ausreichend sein, ein einfaches Aktivitätsmaß zur Beschreibung zu verwenden. Geht es zum Beispiel um eine mögliche Bevorzugung oder Einnischung, ist die einfache Betrachtung der erhaltenen Aktivitätszeiten je Habitat ausreichend. Eine singuläre Bewertung kann jedoch häufig komplexes Verhalten nicht adäquat abbilden. Dazu werden dann erhaltene zeitliche Muster mit in die Bewertung aufgenommen. Hier greift dann die alleinige Beschreibung durch die summierte Aktivitätsmenge nicht mehr.

Bei Eingriffen in die Natur muss sichergestellt werden, dass keine am Standort auftretende Art negativ beeinflusst wird, zum Beispiel durch Tötung von Individuen. Daher muss die Bewertung der erhaltenen Daten möglichst ganzheitlich durchgeführt werden. Es ist in Abhängigkeit der genauen Fragestellung nicht unbedingt ausreichend einen einfachen Index zu verwenden. Durch das Verhalten der Tiere ändert sich zum Beispiel die Nutzungsintensität von Standorten im Jahresverlauf. So kann die Nähe zu bestimmten Quartiertypen zeitliche begrenzte Aktivitätsmaxima oder -minima ergeben. Die zeitliche Komponente darf daher bei vielen Eingriffen nicht ausgelassen werden, wenn es um die Bewertung der Daten geht.

Im Vergleich zur wissenschaftlichen Untersuchung ist es also bei allen Landschaftseingriffen wichtig, die temporale Komponente der Aktivität mit abzubilden und zu verwenden. Einfache Habitatpräferenzen sind nicht zwingend ausreichend für die Bewertung.

Berücksichtigung zeitlicher Muster

Die üblichen Aktivitätsindizes berücksichtigen die zeitliche Verteilung nicht. Aktivität von einer Aufnahme je Tag im Mittel kann vielfältig entstehen. 50 von 100 Tagen mit jeweils zwei Aktivitäten ergeben das selbe Ergebnis wie an ein Tag von 100 Tagen mit 100 Aktivitäten. Im Mittel immer eine Eins. Bei einem Vergleich der Mittelwerte würden also beide Datensätze gleich bewertet. Beides sind keine Normalverteilungen, so dass übliche statistische Methoden nicht zur Verfügung stehen, um die Bewertung zu verbessern.

Mit der Zeit wird es besser

Wie lässt sich das Problem lösen ohne eine Zeitreihenanalyse oder multivariate Statistiken zu machen? Eine einfache Lösung ist eine grafische Darstellung der zeitlichen Verteilung und eine verbal argumentative Bewertung. Zum Beispiel lässt sich bei einer Messung von Aktivität einer Art an vielen Tagen der Begriff Regelmässigkeit oder Stetigkeit einbringen:

… Die Art konnte im Gebiet mit hoher Regelmässigkeit angetroffen werden. Aktivität an den Tagen mit Anwesenheit lag bei 10 Aktivitäten im Mittel. …

Im Jahresverlauf

Eine hohe Stetigkeit impliziert auch, dass eine Art bei einem Eingriff stärker betroffen ist, als eine Art mit sehr niedriger Stetigkeit. Die Art mit hoher Stetigkeit hält sich häufig im Gebiet auf. Auch wenn die täglichen Aktivitäten dann vielleicht etwas niedriger sind, wird dennoch die Gefährdungswahrscheinlichkeit steigen. Dabei müssen verhaltensspezifische Aspekte berücksichtigt werden. So muss zum Beispiel im Zuge der Windkraftplanung Wanderungsaktivität auch dann berücksichtigt werden, wenn dies die einzigen Phasen mit Aktivität sind.

Im Nachtverlauf

In Abhängigkeit des Eingriffs kann sich zum Beispiel auch die nächtliche Verteilung zusätzlich auf die Bewertung auswirken. Findet Aktivität immer konzentriert in einem Abschnitt der Nacht statt, kann dies auch bei Schutzmassnahmen Berücksichtigung finden. Beleuchtungen von Gewerbegebieten, die beim Ausflug aus einem benachbarten Quartier stören, können dann gezielt zur relevanten Zeit deaktiviert werden.

Harte Fakten

Nun ist es leider so, dass verbal argumentative Aussagen gerne überlesen werden. Wir sind es gewohnt, dass es eine beschreibende Zahl gibt, die als harter Fakt genau eine Aussage zulässt. Also quasi einen Zahlenwert, der erkennen lässt, ob bei einem Eingriff eine kritische Menge an Aktivität erreicht ist. Nun lassen sich zeitliche Muster nur schwer in Form einer einzelnen Zahl ausdrücken. Die zu Hilfenahme von Verteilungsfunktionen und einer Beschreibung der Abweichung der erhaltenen Muster könnte unter Umständen etwas erreichen. Aber verständlicher als die verbal argumentative Beschreibung wird das dann nicht. Alternativ liesen sich Modelle berechnen, in die dann auch mehr als nur die Zeit eingehen könnte. Temperatur oder andere Wetterfaktoren würden sicherlich auch zur Beschreibung der Aktivität beitragen.

Mal sehen, im stillen Kämmerchen sitze ich gerade an der Ausarbeitung von unterschiedlichen Möglichkeiten, wie man harte Fakten schaffen könnte. Wenn ich mal was fertig habe, wird es wohl einen weiteren Artikel hier im Blog geben…

- - Kategorien: